BAG — Neu­es Urteil zum Ver­fall von Urlaub

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Überschrift Bundesarbeitsgericht Grafiken zu Urlaub

BAG — Neue Ent­schei­dung zum Ver­fall von Urlaub

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat mit Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20 zum Ver­fall von Urlaubs­an­sprü­chen ent­schie­den. Dies ergibt sich vor­ab aus einer Pres­se­mit­tei­lung des BAG.  Medi­al wur­de das Urteil teils so wie­der­ge­ge­ben, als ergä­ben sich aus der Ent­schei­dung weit­rei­chen­de Fol­gen für die Pra­xis und als bräch­te sie erwei­ter­te Urlaubs­an­sprü­che mit sich. Aber ist das tat­säch­lich der Fall? Wir stel­len Ihnen nach­fol­gend die wich­tig­sten bekann­ten Aspek­te dar.

Die Kern­aus­sa­ge des Urteils

Vor­ab: nach dem Wort­laut der betref­fen­den Pres­se­mit­tei­lung ist zunächst ledig­lich der gesetz­li­che Min­dest­ur­laub betrof­fen. Das heißt 20 Urlaubs­ta­ge bei einer Fünf­ta­ge­wo­che gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG.

In der betref­fen­den Ent­schei­dung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt hier­zu ent­schie­den, dass der der gesetz­li­che Anspruch eines Arbeit­neh­mers auf bezahl­ten Jah­res­ur­laub zwar der gesetz­li­chen Ver­jäh­rung unter­liegt. Aller­dings beginnt die­se drei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist eben­so wie son­sti­ge Ver­fall­fri­sten erst am Ende des Kalen­der­jah­res zu lau­fen, in dem der Arbeit­ge­ber den Arbeit­neh­mer über sei­nen kon­kre­ten Urlaubs­an­spruch und die Ver­fall­fri­sten belehrt und der Arbeit­neh­mer den Urlaub den­noch aus frei­en Stücken nicht genom­men hat. Fer­ner weist das BAG dar­auf hin, mit der Ent­schei­dung euro­päi­sches Recht, bezie­hungs­wei­se eine Ent­schei­dung des Gerichts­hofs der Euro­päi­schen Uni­on umzu­set­zen. Hin­ter­grund ist, dass das Urlaubs­recht mit der euro­päi­schen Richt­li­nie 2003/88 über bestimm­te Aspek­te der Arbeits­zeit­ge­stal­tung har­mo­ni­siert wur­de. Die Umset­zung im deut­schen Recht fin­det sich wie­der­um im Bun­des­ur­laubs­ge­setz (BUrlG).

Wann kann nun Urlaub verfallen?

Zunächst gilt wei­ter­hin das Bun­des­ur­laubs­ge­setz. Danach gilt gemäß § 7 Abs. 3 BurlG folgendes:

„Der Urlaub muss im lau­fen­den Kalen­der­jahr gewährt und genom­men wer­den. Eine Über­tra­gung des Urlaubs auf das näch­ste Kalen­der­jahr ist nur statt­haft, wenn drin­gen­de betrieb­li­che oder in der Per­son des Arbeit­neh­mers lie­gen­de Grün­de dies recht­fer­ti­gen. Im Fall der Über­tra­gung muss der Urlaub in den ersten drei Mona­ten des fol­gen­den Kalen­der­jahrs gewährt und genom­men werden.“

Der gesetz­li­che Urlaubs­an­spruch kann grund­sätz­lich also wei­ter­hin am 31. März des Fol­ge­jah­res verfallen.

Dies hat das BAG gemäß sei­ner Pres­se­mit­tei­lung  inso­weit ein­ge­schränkt, dass dies nur gel­ten soll, soweit der Arbeit­ge­ber den Arbeit­neh­mer hier­über belehrt hat und der der Arbeit­neh­mer den Urlaub den­noch aus frei­en Stücken nicht genom­men hat. Aller­dings ist dies im Grund­satz bereits seit län­ge­rer Zeit im Arbeits­recht weit­ge­hend anerkannt.

Das Urteil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 20.12.2022 hat hier also den über­wie­gen­den Stand des arbeits­recht­li­chen Schrift­tums und der Recht­spre­chung der Lan­des­ar­beits­ge­rich­te bestä­tigt. Es liegt auch auf einer Linie mit vor­her­ge­hen­den Ent­schei­dun­gen des BAG selbst (bspw. vom 07.09.2021 – Az. 8 Sa 182/20). Auch hier wur­de die Beleh­rungs­pflicht für den Ver­fall des – gesetz­li­chen – Min­dest­ur­laubs bereits aus­drück­lich anerkannt.

Das ist neu

Neu ist, dass auch die all­ge­mei­nen Ver­jäh­rungs­fri­sten für Urlaubs­an­sprü­che bei feh­len­der Beleh­rung über den kon­kre­ten ver­blei­ben­den Jah­res­ur­laubs­an­spruch und Ver­fall­fri­sten nicht zur Anwen­dung kom­men sol­len. Bei feh­len­der Beleh­rung kann also unter Umstän­den nahe­zu unbe­grenzt noch län­ger als drei Jah­re rück­wir­kend Urlaub gel­tend gemacht werden.

Was gilt für frei­wil­lig gewähr­ten Urlaub über 20 Tage hinaus?

Das BAG bezieht sich in sei­nen genann­ten Ent­schei­dun­gen ledig­lich auf den gesetz­li­chen Min­dest­ur­laub. Auch der Gerichts­hof der euro­päi­schen Uni­on prüf­te sei­ner­zeit nur die Ver­ein­bar­keit deut­scher Rechts­vor­schrif­ten mit die­sen euro­pa­recht­lich vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen. So hat der EuGH bereits mit Urteil vom 19.11.2019 (Akten­zei­chen C‑610/17) ent­schie­den, dass dadurch, dass Arbeit­neh­mern ein bezahl­ter Jah­res­ur­laub zuer­kannt wird, der über die garan­tier­te Min­dest­dau­er von vier Wochen hin­aus­geht, der euro­pa­recht­li­che Min­dest­schutz weder berührt noch ein­ge­schränkt wer­den kann, allein nur, weil hier eine Gut­schrift (Über­tra­gung) aus­ge­schlos­sen ist.

Dar­aus folgt, dass der gesetz­li­che Min­dest­ur­laub von 20 Tagen zwar unter erschwer­ten Bedin­gun­gen ver­fal­len kann. Frei­wil­lig gewähr­ter Urlaub, der über die 20 Tage hin­aus­geht, kann jedoch nach unse­rer der­zei­ti­gen Ein­schät­zung nach wie vor trotz der neu­en Recht­spre­chung des BAG abwei­chend ver­fal­len. Aller­dings nur dann, wenn ent­spre­chen­de ver­trag­li­che Rege­lun­gen hier­zu zwi­schen Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer ver­ein­bart wurden.

Was ist nun­mehr zu beachten?

Das BAG hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 07.09.2021 – Az. 8 Sa 182/20 fest­ge­stellt, dass der Arbeit­ge­ber dem Arbeit­neh­mer „klar und ver­ständ­lich“ mit­zu­ei­len hat, „dass sein Urlaub mit Ablauf des Kalen­der­jahrs oder des Über­tra­gungs­zeit­raums ver­fällt und dass er ihn auf­zu­for­dern hat, sei­nen Urlaub zu neh­men.“ Dies habe „erfor­der­li­chen­falls“ förm­lich zu erfol­gen. Eine münd­li­che Beleh­rung dürf­te somit grund­sätz­lich eben­falls mög­lich sein. Aus Nach­weis­zwecken soll­ten Arbeit­ge­ber nun­mehr aber jedoch eine Beleh­rung zumin­dest in Text­form vorziehen.

Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer soll­ten nun auch ihre Arbeits­ver­trä­ge prü­fen: Wird hier zwi­schen gesetz­li­chem Min­dest­ur­laub und frei­wil­lig gewähr­tem Urlaub unter­schie­den? Was ist hier für den Ver­fall gere­gelt? Dem wird mit der Ent­schei­dung des BAG künf­tig eine noch grö­ße­re Bedeu­tung zukommen.

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